Biathlon: Schießen gegen Zeit, Wind und Puls
Wenn der Bruchteil einer Sekunde am Schießstand über Sieg und Niederlage entscheidet
Am Schießstand kann im Biathlon die Führung verloren gehen, selbst mit sattem Vorsprung. In den Sekunden der Schießprüfungen halten deswegen alle den Atem an: Zuschauer, Trainer, Teamleiter – und der Biathlet sowieso. Denn der Schütze muss ein winziges Ziel treffen, im Stehen oder Liegen. Und das ohne ein Zielfernrohr, dafür mit dem Wind und der Zeit im Nacken.
Vom Sprint zu einer möglichst ruhigen Hand
Dass die Schießprüfungen den Ausdauerwettkampf unterbrechen, macht für viele einen Großteil der Faszination aus. Anders als im Triathlon gibt es keine Wechselzone. Biathleten schießen genau so, wie sie laufen: Im gleichen Anzug und mit Skating-Ski an den Füßen – oder im Sommer mit Rollski. Beim Laufen führen sie das Gewehr immer mit. Die Wintersportler erreichen den Schießstand, müssen das Biathlongewehr laden, zielen, treffen und dann wieder sprinten. Du denkst das ist schon eine hohe Wechselbelastung? Es ist noch komplexer: Der Biathlet schießt mit angehaltenem Atem. Denn die Ziele sind so klein, dass die Atembewegungen des Biathleten beim Zielen stören. Im besten Fall kommt er in den Rhythmus: Atem anhalten, schießen, eine Atmung, anhalten, Schießen. Selten sind zwei Atemzüge zwischen einem Schuss.
Einige wichtige Regeln am Schießstand
Die Schießprüfungen innerhalb eines Biathlon-Wettkampfes finden oft am Ende einer Runde statt. Hier müssen die Biathleten am Schießstand fünf Ziele mit einem Kleinkalibergewehr treffen. Die Ziele beim Biathlon sind keine Scheiben, sondern „Löcher“. Bei einem Treffer bedeckt eine weiße Scheibe die Löcher. So sieht der Biathlet eindeutig, dass er getroffen hat. Dass Biathleten bei einer perfekten Schießeinlage von einer „Weißen Weste“ sprechen, hat daher eine doppelte Bedeutung: Einerseits die sprichwörtliche weiße Weste, andererseits ist der Schießstand des Schützen dann vollständig „weiß“.
Die Distanz zum Ziel beträgt immer 50 Meter. In jeder Disziplin schießen die Biathleten mindestens einmal liegend und mindestens einmal stehend. Stehend schießen die Biathleten auf Scheiben mit einem Durchmesser von 11,5 Zentimeter. Bei liegenden „Schießprüfungen“ misst die Scheibe 45 Millimeter im Durchmesser. Pro nicht getroffener Scheibe erhalten die Biathleten eine Strafe. Im Einzelwettkampf [] ist das pro verfehltes Ziel eine Zeitstrafe von einer Minute. In allen anderen Disziplinen müssen die Biathleten pro verfehltem Ziel eine Strafrunde von 150 Metern laufen. Andere wichtige Regeln sind:
- Die Biathleten müssen am Schießstand alle fünf Schüsse abgeben. Für jede nicht abgefeuerte Patrone erhält der Biathlet 2 Minuten Zeitstrafe.
- Die Biathleten haben für jedes der fünf Ziele nur einen Schuss. Die Ausnahme sind Staffel-Wettkämpfe und der Supersprint: Hier hat der Biathlet drei Ersatzpatronen, also 8 Schüsse für 5 Ziele.
- Das Abzugsgewicht oder der Abzugswiderstand der Waffe muss mindestens 500 Gramm betragen. Das ist die Kraft, die der Schütze insgesamt aufbringen muss, um den Schuss auszulösen.
- Der Biathlet darf das Gewehr erst am Schießstand laden. Fährt er oder sie mit geladenem Biathlongewehr, droht Disqualifikation.
- Der Schuss muss das Ziel zu mindestens 33% treffen, damit er als Treffer gewertet wird.
Stehendschießen: Die perfekte Körperhaltung für den perfekten Schuss
Beim Stehendschießen steht der Biathlet in einem möglichst sicheren Halt. Die Ski sind einem gleichschenkligen Trapez aufgestellt. Stehen die Ski zu weit auseinander oder zu nah beieinander, steht der Biathlet zu instabil.
Weil die Schützen das Biathlongewehr, je nach starker Hand, vorne rechts oder vorne links anlegen, müssen sie in ein Hohlkreuz gehen und die Hüfte nach vorne schieben. So gleichen sie die Haltung und das Gewicht der Waffe wieder aus und finden den perfekten Körperschwerpunkt. Der Arm, der die Waffe von unten hält, liegt auf der Hüfte auf.
Ein Profi-Trick ist, schon während des Zielens den Abzug zu ca. 70% zu ziehen, aber noch keinen Schuss auszulösen. Dann kann der Biathlet, sobald er das Ziel im Visier hat, schneller abdrücken und hat weniger Verzögerung zwischen Zielerfassung und Schuss. Dafür müssen die Biathleten möglichst früh ein Gefühl für den Abzug und das Handling des Biathlongewehrs erlernen.
Was Volksfest-Schützen oft falsch machen
Ein häufiger Fehler von Amateurschützen auf Volksfesten: Sie versuchen, die Waffe „frei“ zu halten, also ohne Stütze auf der Hüfte. Das mag vielleicht cooler aussehen, macht es aber schwieriger, präzise zu schießen. Denn die Waffe wiegt mehrere Kilo und ist ohne die Stabilisierung auf der Hüfte schwerer ruhig zu halten.
Liegendschießen: Wenn 45 Millimeter einen Wettkampf entscheiden
Das Liegendschießen erfordert im Anlauf mehr Zeit, da der Biathlet sich erst hinlegen, einen Haltegurt anspannen und nach dem Schießen wieder aufstehen muss. Beim Liegendschießen sind die Scheiben nur 45 mm groß. Trotz des kleineren Zieles empfinden viele Biathleten das Liegendschießen als einfacher, da der Körper im Liegen stabiler ist. Der Biathlet liegt mit dem gesamten Körper auf und hat damit mehr Ruhe in der Waffe. Beide Ellenbogen unterstützen beim ruhigen Zielen. Noch mehr Stabilität bietet ein Gurt, der im Bereich des Oberarms die Waffe zusätzlich stützt.
Atmung und Pulsfrequenz beim Schießen
Beim Schießen ist die Atmung ein entscheidender Faktor. Biathleten unterscheiden hier zwischen 1er-Rhythmus und 2er-Rhythmus. In den meisten Fällen atmet der Schütze nur einmal zwischen den Schüssen. Dann hält er die Luft wieder an, um die Waffe möglichst ruhig zu halten, und schießt erneut. Der 2er-Rhythmus wird im Profibereich immer seltener – letztlich zählt im Wettkampf jede Sekunde. Bei der optimalen Herzfrequenz fürs Schießen sind sich die Experten nicht vollkommen einig. Manche sagen, ein schnellerer Puls sei flacher und damit für den Schützen besser. Andere argumentieren, dass mit einem höheren Puls eine schnellere und schwerere Atmung einhergeht. Zudem ist es bei einer hohen Herzfrequenz besonders unangenehm, die Luft anzuhalten. An Schießständen nach einer Abfahrt, also einer weniger hohen Belastungsphase, schießt es sich zumindest gefühlt angenehmer – ob auch besser, ist eine andere Frage.
„Crossfire“ und „Nähmaschine“ – Biathleten-Slang am Schießstand
Beide Begriffe beschreiben für den Biathleten einen Alptraum. Das „Crossfire“ ist genau das, wonach es sich anhört: Der Biathlet schießt auf die Ziele eines anderen Schützen. Die Schüsse werden immer als Fehler gewertet. Die Munition, die er auf die fremde Schießbahn abfeuert, ist verloren und wird von den maximal 5–8 Schuss des Biathleten abgezogen. Bemerkt der Schütze nicht, dass er auf die falsche Bahn schießt ist das fatal – in dem Falle winken 5 Fehler und somit entweder 5 Strafminuten oder 5 Strafrunden, was eine Aussicht auf eine gute Platzierung fast sicher zunichte macht. Als „Nähmaschine“ bezeichnen Biathleten eine zu niedrige Pulsfrequenz beim Schießen. Denn wenn der Biathlet sich viel Zeit am Schießstand lässt, geht der Körper unter einen bestimmten Leistungsbereich und fängt an zu zittern. Das kann gerade das Stehendschießen zum Glücksspiel machen.
Windlotto und Anschießen – welche Rolle spielt das Wetter?
Vor dem Schießstand gibt es eine Windfahne, die eine grobe Orientierung gibt, von wo der Wind gerade kommt. Je nach Windverhältnis richten die Biathleten dann den Diopter (das Visier an ihrer Waffe) auf diese Wetterverhältnisse aus. Das geschieht schon vor dem Wettkampf und nennt sich Anschießen. Es ist ein entscheidender Faktor beim Biathlon, um die Waffe vorab richtig einzustellen, andernfalls wären die kleinen Ziele nur mit Glück zu treffen. Aber: Wenn der Wind danach nochmal extrem dreht oder die Intensität ein gewisses Maß übertrifft, haben die Biathleten im Wettkampf so gut wie keine Chance, sicher alle fünf Ziele zu treffen. Deshalb nennen Biathleten das „Wind-Lotto“. Zwar können die Biathleten dann noch am Diopter rumspielen – das kostet allerdings wertvolle Sekunden.
Das Biathlongewehr: Der treue Begleiter der Biathleten
Bei der Schusswaffe der Biathleten handelt es sich um ein normales Kleinkalibergewehr, Kaliber .22. Die Waffe darf einen Diopter als Zielgerät haben, der aber selbstverständlich keine optische Vergrößerung leisten darf. Der Schaft der Waffe ist individuell an den Biathleten angepasst. Er muss sich perfekt an die Körpergröße und Anatomie des Sportlers anpassen und ist meistens aus Holz oder Carbon. Das Biathlongewehr muss mindestens 3,5 Kilo wiegen – einige Exemplare wiegen aber bis zu 6 Kilo.
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