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Novum Nizza: Neue Strecke, neue Herausforderungen

#Triathlon

Bei der Ironman-WM in Nizza sind Konzentration und Geschick gefragt

Novum Nizza: Neue Strecke, neue Herausforderungen

Wer glaubt, die Ironman-Strecke auf Nizza wird ein billiger Abklatsch von Hawaii werden, der irrt sich! Nizza blickt auf eine langjährige Triathlon-Tradition zurück und präsentiert eine äußerst ansprechende Strecke. Vor allem die Radstrecke hat technisch anspruchsvolle Abfahrten, die Konzentration und Geschick erfordern. Zudem müssen die Athleten beachtliche 2400 Höhenmeter überwinden, was deutlich mehr ist als auf Hawaii. Das verspricht ein besonders spannendes Rennen.

Bald ist es soweit! In guten zwei Wochen heißt es wieder swim, bike, run für die Profi- und Agegroup-Triathleten. Das große Novum: Der neue Austragungsort der Ironman-WM ist für die Männer diesmal das französische Nizza. Die Herausforderung besteht aus 3,8 Kilometern Schwimmen im Mittelmeer, 180,2 Kilometern Radfahren durch die malerische französische Landschaft und einem Marathon entlang der Promenade des Anglais, der in vier Runden aufgeteilt ist. Die Frauen dürfen einen guten Monat später in gewohnter Umgebung auf Hawaii antreten.

Nizza ist in der Triathlonszene

Nizza ist in der Triathlonszene keineswegs ein weißer Fleck. Bereits 1982 fand in der Küstenstadt der erste Triathlon-Wettkampf Europas über die Langdistanz statt. Triathlon-Legenden wie Mark Allen, Yves Cordier (1980er Jahre), Dave Scoot, Lothar Leder (1990er Jahre) – um nur ein paar Namen zu nennen – lieferten sich hier schon extrem spannende Rennen. Der Ironman fand 2005 seinen Weg hierher, ersetzte den Triathlon International de Nice und ist seitdem der Austragungsort für den Ironman France, auch bekannt als Ironman Nice. Der bisherige anspruchsvolle Kurs gleicht dem der anstehenden Ironman-WM. Lediglich der 90. Kilometer auf der WM-Radstrecke ist weiter westlich platziert.

Immer einen kühlen Kopf bewahren!

Der September in Nizza ist im Vergleich zu Hawaii schon fast erfrischend, wenn nicht sogar kalt. Im Oktober müssen die Damen bei kuscheligen 27 ºC Außentemperatur und extremer Luftfeuchtigkeit Höchstleistungen zeigen. Dagegen erwartet die Herren eine Durchschnittstemperatur von 18 ºC bis maximal 25 ºC. Doch spätestens beim Radfahren sind die Triathleten aufgewärmt und auf Hochtouren. Der abschließende Marathon wird weder auf Hawaii noch in Nizza ein Stückchen Haut trocken lassen.

Immer einen kühlen Kopf bewahren!
© Philipp Weissensteiner

Auch die Luftfeuchtigkeit kann in Nizza im September angenehm sein, da sie mit 75% relativ niedrig ist. Dagegen beträgt die Luftfeuchtigkeit auf Hawaii satte 85%. Ein schweißtreibendes Rennen ist so oder so vorprogrammiert.

Der Start im kühlen Nass

In den frühen Morgenstunden sind die Außentemperaturen noch moderat. Um Überhitzung zu vermeiden, darf laut der WTC (World Triathlon Corporation) unabhängig von der Schwimmdistanz bei einer Wassertemperatur von bis zu 21,9 ºC ein Wetsuit getragen werden. Unter 16 ºC Wassertemperatur besteht laut WTC-Reglement hingegen Neopren-Pflicht. Die Temperaturen im Wasser dürfte den Männern in Nizza entgegenkommen. Während die Frauen auf Hawaii im Badewannenwasser bei warmen 26 ºC unterwegs sind, haben die Männer bei ca. 22 ºC einen erfrischenden Start. Daher bleibt abzuwarten, ob die Neo-Pflicht besteht. Insbesondere gute Schwimmer bevorzugen das Schwimmen ohne Neo, da sie so ihre Vorteile besser ausspielen können.

Der Start im kühlen Nass

Wie beim Ironman Nizza geht es für die Athleten am Kiesstrand von Ponchettes am Quai des Etats-Unis morgens ins kühle Nass. Das Schwimmen findet im Mittelmeer in kristallklarem, azurblauem Wasser statt. Die 3,8 km werden in zwei Schwimmrunden ohne Unterbrechung absolviert. Im Gegensatz zu den Frauen auf Hawaii meistern die Herren statt einer großen Schwimmrunde zwei kleine Rechteckkurse, bevor es in die Wechselzone am Plage des Ponchettes geht. Dort wird auch das spätere Ziel des Rennens sein.

Die Seealpen sind nichts für Flachland-Radler!

Kaum sind die Triathleten aus dem Wasser, schwingen sie sich in Windeseile auf ihre Räder. Je nach Startzeit und Wetterlage sind die Athleten nun der prallen Sonne ausgeliefert. Nizza bietet im September immer noch viele sonnige Tage. Die Sonnenscheindauer beträgt normalerweise etwa 7 bis 8 Stunden pro Tag. Für Sonnencreme bleibt jedoch keine Zeit. Immerhin kann der Fahrtwind Abhilfe schaffen. Jetzt heißt es also: Je schneller man fährt, desto kühler wird es. So die Wunschvorstellung. Genügend Flüssigkeit ist hier neben der regelmäßigen Energiezufuhr unerlässlich. Die Wahl des Helms spielt ebenso eine entscheidende Rolle. Eine etwas schlechtere Aerodynamik ist dabei eher in Kauf zu nehmen, als auf dem 180,2 km langen Radabschnitt das Risiko einer Überhitzung einzugehen.

Die Seealpen sind nichts für Flachland-Radler!

Die zweite Etappe des Triathlons findet in der einzigartigen Landschaft des Naturparks PréAlpes d'Azur statt. Dank seines bergigen Profils wird die Strecke wohl eine der spektakulärsten und anspruchsvollsten in der Geschichte der Ironman-Weltmeisterschaften sein. Ganze 2400 Höhenmeter gilt es für die Athleten zu bewältigen! Im Gegensatz dazu müssen auf Hawaii „nur“ 1772 Höhenmeter auf dem Rad bezwungen werden. Dabei absolvieren die Triathleten in Nizza eine einzige Runde. Diese erfordert im Vergleich zum Ironman Hawaii deutlich mehr Konzentration und Geschicklichkeit, da sie technisch anspruchsvoller ist.

Hinterland von Nizza

Sobald die Sportler die Wechselzone T1 passieren, führen die ersten 10 km recht flach aus der Stadt ins Hinterland von Nizza. Zeit, die Muskeln aufzuwärmen, bevor die Strecke mit gut 300 Höhenmetern über den Hügel

von Pugets westlich nach St-Jeannet führt. Ein unregelmäßiger Anstieg über neun Kilometer mit einer Steigung von durchschnittlich 3,3 %. Dabei haben es drei Passagen mit einer Steigung zwischen 10 % und 15 % wirklich in sich.

Am Fuße des Col de Vence
© Philipp Weissensteiner

Am Fuße des Col de Vence (Kilometer 26) beginnen die Athleten den Aufstieg zum Col de l'Ecre über die Gorges du Loup – ein erster Vorgeschmack auf den anspruchsvollen Anstieg in den majestätischen Seealpen. Bei Kilometer 40 geht es richtig zur Sache! Innerhalb von knapp 20 km kämpfen sich die Triathleten nun über 900 Meter in die Höhe. Bei Kilometer 77 führt die Route weiter nach Westen auf die Hochebenen von Caille und Thorenc. Anschließend passieren die Triathleten die persönliche Verpflegungsstation,

die sich bei Andon (Kilometer 80) befindet, und fahren weiter zum westlich gelegenen Wendepunkt nach 90 km. 20 km später folgt eine technisch herausfordernde Abfahrt über knapp 500 Höhenmeter nach Gréolières. Achtung Klugscheißerwissen: Diese eindrucksvolle Szenerie wurde bereits zum Drehort weltberühmter Filme wie zum Beispiel in „James Bond 007 – Golden Eye“. Nach einem fordernden Gegenanstieg geht es die restlichen 50 km in Richtung Nizza quasi nur noch bergab. Trotz langjähriger Erfahrung und vielen Erfolgen ist für unseren Profi-Triathleten Patrick Lange klar: „Die Radstrecke mit 2400 Höhenmetern ist ein Novum. Das hatten wir noch nie. Nizza gehört sicherlich zu den härtesten Ironman-Veranstaltungen, die es im Kalender gibt. Auch wird es länger als auf Hawaii. Ich denke, wir werden aufgrund der Höhenmeter 20 bis 30 Minuten mehr auf der Strecke verbringen.“

Potenzial für beste Stimmung beim Marathon

Nach den hügeligen 180 km im Hinterland Nizzas dürfen sich die Ironman-Teilnehmer nun auf eine mitreißende Atmosphäre freuen. Denn die Laufstrecke verläuft flach entlang des Mittelmeers und bietet den Zuschauern die Gelegenheit, die Athleten ordentlich anzufeuern. Für viele Europäer wird es ein Leichtes sein, nach Nizza zu reisen, um dort einmal eine Ironman-WM live verfolgen zu können.

Am Fuße des Col de Vence
© Simon Gehr

„Ich erhoffe mir, dass es spätestens auf der Laufstrecke richtig rund geht und dort die Stimmung vielleicht sogar ein bisschen besser ist als auf Hawaii. Daher blicke ich dem Lauf stimmungstechnisch voller Vorfreude entgegen.“ – Patrick Lange

Vom Zieleinlauf getrennt

Vom Zieleinlauf getrennt, führt der abschließende Marathon die Athleten entlang der Promenade des Anglais vorbei an berühmten Strandclubs, den Chaises Bleues (blauen Stühlen) und dem monumentalen Negresco Hotel. Der Lauf erstreckt sich über vier Wendepunktrunden, welche bis zum Flughafen führen. Während der Marathon in Nizza flach verläuft, sind auf Hawaii noch 300 Höhenmeter laufend zu meistern. Dennoch hat allein die Radstrecke in Nizza (2400 Höhenmeter) mehr Höhenmeter als die Rad- und Laufstrecke auf Hawaii in Summe (2000 Höhenmeter).

„Es wird vermutlich heiß, sodass am Endes Tage die Krafteinteilung eine sehr wichtige Rolle spielen wird. Wer auf der flachen Marathonstrecke noch wirklich schnelle Beine hat, hat gute Chance weit vorne zu landen.“ – Patrick Lange

Während der 10-Kilometer-Pendelstrecke befindet sich die Sonne direkt über den Sportlern. Hinzu kommt die geringere Geschwindigkeit und bedeutend weniger Kühlung durch Luftbewegung als auf dem Rad. Aus diesem Grund werden die ausreichende Aufnahme von Flüssigkeit und eine Cap als Sonnenschutz sehr wichtig.

Insgesamt legen die Athleten eine beeindruckende Distanz von 226 Kilometern zurück, bevor sie schließlich den Zielbogen am Plage des Ponchettes erreichen.

Nizza und Hawaii im Vergleich: Schwierigkeit und Flair

Hawaii und Nizza lassen sich, was die „Schwierigkeit der Strecke“ angeht, schwer miteinander vergleichen. Die Schwierigkeiten der Strecke auf Hawaii sind starke Winde, enorme Hitze, die Luftfeuchtigkeit und die Einsamkeit draußen auf dem Highway, wo man permanent gefordert ist, mental den Fokus nicht zu verlieren. In Nizza erfordert die Radstrecke höchste Konzentration, da sie sehr kurvig ist, mit anspruchsvollen Steigungen und Abfahrten. Beide Rennen haben es daher hinsichtlich der Herausforderung für die Athleten absolut verdient, eine Weltmeisterschaft auszutragen.

Nizza und Hawaii im Vergleich: Schwierigkeit und Flair

Doch herausfordernde Strecken sind nicht der alleinige Hauptaspekt. Im Spitzensport dreht sich vieles darum, fesselnde Geschichten zu schreiben. Hawaii hat mit seinem Triathlon-Mythos eindeutig erreicht, dass Millionen von Menschen sich immer dann für den Ausdauer-Dreikampf interessierten, wenn er auf der Pazifikinsel stattfand. Obwohl es auch in Wales, auf Lanzarote und vielen weiteren Orten weltweit äußerst kräftezehrende Ironman-Rennen gibt, konnte bisher nur Hawaii diese magische Anziehungskraft entwickeln, die Menschen außerhalb der Triathlon-Szene bis spät in die Nacht vor den Fernseher fesselte. Es bleibt spannend, ob die Triathlon-WM in Nizza hier mithalten und die Stimmung vor Ort die auf Hawaii vielleicht sogar noch übertrumpfen kann.

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