Fit zu Hause: mit aktiven Pausen ganzheitlich trainieren
Sportwissenschaftler Ruven Böhling verrät dir, wie du dich im Homeoffice fit hältst
Es hat sich in der Gesellschaft längst etabliert und ist in den meisten Firmen Alltag: Homeoffice ist aus der Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Schließlich hat es viele Vorteile, von zu Hause aus zu arbeiten, wie etwa die Zeitersparnis durch den wegfallenden Arbeitsweg. Diese Zeit kann sinnvoll investiert und zum Beispiel für Sport genutzt werden. Wie das einfach und effektiv geht, darüber haben wir mit Sportwissenschaftler Ruven Böhling gesprochen. Er erklärt, wie wir unseren Körper im Homeoffice gezielt unterstützen können. Kurzum: was wir machen können, um zu Hause gesund und fit zu bleiben.
Ruven Böhling ist studierter Diplom-Sportwissenschaftler mit den Schwerpunkten Rehabilitation und Prävention. Beruflich hat er sich auf die Behandlung von Rückenproblemen spezialisiert und ist im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements und aktiver Gesundheitsförderung tätig. Mit viel Leidenschaft organisiert er Gesundheitswochenenden, gibt Workshops und hält Vorträge rund um das Thema Gesundheit.
So einfach kannst du zu Hause fit bleiben
ERDINGER Alkoholfrei: Lieber Ruven, viele Menschen arbeiten mittlerweile von zu Hause aus. Daraus folgt häufig weniger Bewegung und die Grenze von Beruflichem und Privatem verschwimmt immer mehr. Was sind deine Tipps, um im Homeoffice mental und körperlich gesund zu bleiben?
Ruven Böhling: Wichtig ist eine feste Tagesstruktur, an der man sich entlanghangeln kann, ein fester Rhythmus. Den Wecker am besten frühmorgens stellen, tagsüber aktive Pausen einplanen und pünktlich Feierabend machen. Gerade im Homeoffice ist das besonders wichtig, denn viele Menschen neigen dazu, sich selbst zu überfordern und mehr zu machen als im Büro. Also gilt: Laptop und Firmenhandy zu einer festen Zeit konsequent ausschalten, bewusst Feierabend machen, um – wenn schon nicht lokal – wenigstens mental das Berufliche vom Privaten zu trennen. Wichtig zu wissen ist hierbei auch:
Die Konzentrationsfähigkeit nimmt im Laufe des Tages stark ab, das bedeutet: Wichtiges solltest du nach Möglichkeit früh erledigen.
ERDINGER Alkoholfrei: Was ist besonders in Bezug auf die Bewegung zu beachten? Gibt es körperliche Bereiche, die speziell trainiert werden sollten?
Ruven Böhling: Ich als Sportwissenschaftler sehe das ganzheitlich, das heißt alle konditionellen Fähigkeiten sollten gleichermaßen trainiert werden. Ich empfehle deshalb, eine ausgewogene Mischung von Kraft, Koordination, Beweglichkeit und Ausdauer ins Training zu integrieren. Wer Defizite in einem speziellen Bereich hat, sollte diese mit ganz besonders viel Elan angehen – die anderen Bereiche jedoch nicht vernachlässigen.
ERDINGER Alkoholfrei: Du hast „aktive Pausen“ angesprochen. Wie gelingt es mir, ausreichend Bewegung in meinen Homeoffice-Alltag einzubauen?
Ruven Böhling: Die Wege zur und innerhalb der Arbeit fallen weg, wir sitzen dadurch viel mehr. Daher ist es wichtig, bewusst genügend Bewegung in den Alltag einzubauen. Es gilt also: sooft es geht rausgehen und bewegen. Ob ein kurzer Morning Run an der frischen Luft, ein Spaziergang in der Mittagspause oder eine Fahrradtour am Abend. Inlineskater an die Füße oder Nordic-Walking-Stöcke in die Hände, wichtig ist es, den Körper sooft es geht in Bewegung zu bringen.
ERDINGER Alkoholfrei: Worauf kann ich außerdem im Homeoffice achten, um gesund und fit zu bleiben?
Ruven Böhling: Eine gesunde Körperhaltung ist besonders wichtig für das allgemeine Wohlbefinden. Jeder braucht deshalb auch zu Hause einen Arbeitsplatz, der auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Ein Schreibtisch in einer optimalen Höhe, ein ergonomischer Bürostuhl und ein Bildschirm auf Augenhöhe, um ungünstige Positionen zu vermeiden. Natürlich hat nicht jeder diese idealen Voraussetzungen bei sich zu Hause, trotzdem sollte man darauf achten, seinen Arbeitsplatz im Homeoffice so rückenfreundlich wie möglich einzurichten und es sich eben nicht auf dem Sofa bequem machen. Das ist weder für die Haltung noch die Motivation ideal. Zwischendurch helfen immer wieder Mobilisations-, Dehn- und Kräftigungsübungen für die Halswirbelsäule sowie für den Schulter-/ Nackenbereich. Auch ein regelmäßiges Durchbewegen des gesamten Rumpfes in alle vier Richtungen ist sinnvoll. Also zwischendurch immer mal den Oberkörper strecken, beugen, seitneigen und rotieren. Das fördert die Durchblutung und beugt Verspannungen und Überbelastungen der tiefen Haltemuskulatur vor. Merke:
„Nur ein dynamisches Sitzen ist ein richtiges Sitzen – und das gilt auch bei einem ergonomisch optimal abgestimmten Arbeitsplatz. Wer die Möglichkeit hat zwischendurch im Stehen zu arbeiten, der sollte das auch unbedingt umsetzen.“
Ruvens Tipp
Reserviere dir jeden Tag feste Zeitpunkte, um diese Übungen auszuführen.
- Morgens: Nach dem Aufstehen kannst du mit dem Mobilisieren anfangen, indem du deinen Nacken- und Schulterbereich in kreisenden Bewegungen lockerst.
- Mittags: Kurze Kräftigungsübungen für den Schulter- und Rückenbereich können jetzt an der Reihe sein.
- Nachmittags/nach dem Feierabend: Ausdauer trainieren, indem du 30-45 Minuten am Stück spazieren oder laufen gehst.
Das sind alles gesunde Gewohnheiten, die man beibehalten kann, um den Arbeitsalltag aufzulockern. Bewusst die Natur genießen, eine kurze Auszeit nehmen, den Kreislauf in Schwung bringen. Kleine Bewegungseinheiten können einen großen Unterschied bewirken.
Mit Sport auch mental gesund bleiben
ERDINGER Alkoholfrei: Viele Menschen schaffen es nicht von der Arbeit abzuschalten. Im Homeoffice, wo das Büro auch gleichzeitig die eigenen vier Wände sind, fällt das manchen noch schwerer. Oft sorgt das für ordentlich Stress und psychische Belastung. Hast du Tipps, um da gegenzusteuern?
Ruven Böhling: Auch da kann Bewegung helfen, denn Sport kurbelt nicht nur die Prozesse im Körper, sondern auch im Gehirn an.
Sportliche Bewegung macht glücklich, denn eine Menge Glückshormone wie Serotonin und Dopamin werden dabei ausgeschüttet – nach dem Sport sorgt das für ein unglaublich wohliges Gefühl.
Außerdem hemmt das die Ausschüttung von Stresshormonen, was sich ebenfalls positiv auf die Psyche auswirkt. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Ökonomisierungsprozesse im Hirn. Die Areale im Gehirn, die kognitive Prozesse steuern, fahren zum Beispiel während des Laufens herunter. Andere Bereiche, die wiederum für die Koordination beim Laufen und die Wahrnehmung zuständig sind, können dann hochfahren. Sie werden also aktiv und rücken die kognitiven Prozesse in den Hintergrund. Nach der körperlichen Belastung ist der Bereich, der für das Denken zuständig ist, regeneriert, wodurch man nach dem Sport deutlich leistungsfähiger ist. Sport, regelmäßig ausgeführt, kann dafür sorgen, dass man sich ganzheitlich wohl und gesund fühlt.
ERDINGER Alkoholfrei: Vielen Dank für das Gespräch, Ruven Böhling!