Rennrad oder Gravelbike – ein Unentschieden?
Unsere Profi-Athleten Frederic Funk und Lothar Leder wägen ab
Rennräder gibt es schon ewig – die ersten Radrennen fanden bereits um 1890 statt. Gravelbikes hingegen erleben ihren Boom erst seit 2015. Beide Fahrradarten haben ihre Vor- und Nachteile. Aber gibt es den einen Gewinner oder ist es eine Frage der persönlichen Zielsetzung? Und wie grenzt sich das Crossbike davon ab? Wir geben einen Überblick und haben unsere Athleten Frederic Funk und Lothar Leder nach ihren Meinungen gefragt.
Rennrad oder Gravelbike: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Zügig unterwegs bist du sowohl mit dem Rennrad als auch mit dem Gravelbike. Beides sind eher keine Räder für gemütliche Fahrten in aufrechter Sitzposition – beide wollen ihre Möglichkeiten voll auf die Straße oder ins Gelände bringen. Die Räder sind so konzipiert, dass der sportliche Aspekt ganz weit oben steht. Für Laien sind sie deswegen optisch kaum zu unterscheiden.
Kurz gesagt: Ein Rennrad steht für maximale Geschwindigkeit bei sehr geringem Rollwiderstand auf asphaltierten Straßen – ein Gravelbike punktet durch Offroad-Flexibilität und setzt auf Komfort.
Also ist ein Gravelbike ein Rennrad mit Mountainbike-Reifen? Nicht ganz, denn die sind nochmal deutlich breiter. Zwar kannst du mit einem Gravelbike dort weiterfahren, wo für das Rennrad Schluss ist. Aber die Bereifung ist nur einer von mehreren Unterschieden. Wir zeigen dir, was die beiden Räder hinsichtlich Material und Ausstattung unterscheidet.
Bei genauerem Hinsehen erkennst du, dass sich der Rahmen eines Rennrads von dem eines Gravelbikes unterscheidet. Gravelbikes verfügen in der Regel über einen längeren Radstand. Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass das Vorderrad weiter vom Hinterrad entfernt ist als beim Rennrad. Dadurch entsteht ein komfortables und sicheres Fahrgefühl, was im Gelände wichtig ist. Außerdem haben Gravelbikes ein längeres Steuerrohr und liegen dadurch höher auf der Straße. Mehr Bodenfreiheit – perfekt für Unebenheiten.
Der offensichtlichste Unterschied zwischen Rennrad und Gravelbike ist natürlich die Bereifung. Viele Radsportler fahren ihre Rennräder mit 23–28 mm breiten Reifen. Für Gravelbikes verwenden sie oft Reifen mit 40 mm, wobei hin und wieder noch breitere Reifen zu sehen sind. Und klar: Dünne Reifen mit hohem Reifendruck wirken sich anders auf die Geschwindigkeit aus als breite Reifen mit speziellem Profil für Schotter- und gut befahrbare Waldwege. Erfahrungen haben aber gezeigt, dass auch mit einem Gravel-Reifen ordentlich Speed auf der Straße möglich ist.
Hier steht beim Gravelbike ganz klar der Komfort im Vordergrund. Anders als beim klassischen Rennrad biegen sich die Enden des etwas breiteren Lenkers weiter nach außen. Dadurch hast du das Gefühl, stabiler unterwegs zu sein – das kommt dir vor allem im Gelände entgegen. Im Rennradsport beobachten wir oft leichte Carbonlenker, die für die nötige Aerodynamik sorgen.
Scheibenbremsen – der heutige Standard. Du siehst kaum noch Rennräder oder Gravelbikes ohne sie, was in Bezug auf die hohen Geschwindigkeiten fast selbstverständlich ist.
Typische Übersetzungen, wie es sie bei Rennrädern gibt, sucht man bei Gravelbikes vergeblich. Hier kannst du in erster Linie nach persönlichen Vorlieben entscheiden. Meistens stehen zwei Optionen zur Auswahl:
- Konfigurationen mit nur einem Kettenblatt
- Zweifach-Übersetzungen
Scheibenbremsen – der heutige Standard. Du siehst kaum noch Rennräder oder Gravelbikes ohne sie, was in Bezug auf die hohen Geschwindigkeiten fast selbstverständlich ist.
Und was ist ein Crossbike?
Gravelbikes und Crossbikes sind sich sehr ähnlich. Beides sind Räder, mit denen du das ganze Jahr unterwegs sein kannst, während klassische Rennräder im Winter auf nassen und rutschigen Untergründen Nachteile haben. Vereinfacht gesagt: Ein Crossbike (auch Cyclocross genannt) kommt dem traditionellen Mountainbike noch ein Stück näher als das Gravelbike, ist aber immer noch schneller als das Mountainbike. Du bewegst dich damit überwiegend im Gelände, hättest aber auf normalen Straßen mit Geschwindigkeitsverlusten zu kämpfen. Von der asphaltierten Straße hin zum Gelände kannst du dir die Abstufungen der Räder wie folgt vorstellen:
Aerobike → Rennrad → Gravelbike → Crossbike → Mountainbike
Frederic Funk: „Das Gravelbike schult technische Fähigkeiten“
Wir haben unserem Team-ERDINGER-Alkoholfrei-Mitglied Frederic Funk (Jahrgang 1997) drei Fragen gestellt. Er kennt sich aus: Bereits seit 2011 ist Frederic leistungsorientierter Triathlet. 2019 konnte er den Ironman 70.3 auf Lanzarote gewinnen. 2021 gelang ihm dann endgültig der Durchbruch mit seinem Sieg beim Half Challenge in St.Pölten und bei der Half Challenge EM in Walchsee.
Hi Frederic, nutzt du das Gravelbike regelmäßig, und wenn ja – wann?
„Im Sommer nutze ich es kaum, weil das Training dann sehr spezifisch ist. Im Herbst und Winter sieht es schon anders aus. Ich nutze es häufig bei schlechtem Wetter. Oder auch mal, wenn ich keine Lust auf Straßenverkehr habe und Waldwege entdecken will. Zweimal pro Woche sitze ich in der kalten Jahreszeit bestimmt auf dem Gravelbike.“
Wie viele Räder hast du und gibt es etwas, das dich am Gravelbike explizit stört?
„Ich habe zwei TT-Bikes, ein Rennrad und ein Gravelbike. Und am Gravelbike stört mich ehrlich gesagt nichts. Im Gegenteil – das Fahren im Gelände schult meine technischen Fähigkeiten. Ich fahre mit dem Gravelbike gerne auch mal anspruchsvolle Trails.“
Was ist die größte Stärke des Rennrads neben der Geschwindigkeit? Gibt es da noch etwas?
„Die Geschwindigkeit ist wahrscheinlich die einzige Stärke gegenüber dem Gravelbike. Ansonsten gibt es auch auch in der Trainingsgestaltung wenig, was man nicht mit beiden Rädern machen könnte.“
Lothar Leder: „Schwere Räder machen mich verrückt“
Und auch mit einem der bekanntesten Gesichter der deutschen Triathlon-Geschichte haben wir gesprochen: ERDINGER Alkoholfrei Markenbotschafter Lothar Leder (Jahrgang 1971):
Hi Lothar. Schön, dass auch du uns ein paar Fragen zu diesem Thema beantwortest. Würdest du Einsteigern ein Gravelbike empfehlen?
„Auf jeden Fall. Mit einem Gravelbike schafft man sich eine gute Basis und ist ziemlich flexibel. Anfangs kann man auch mit Turnschuhen und Flat-Pedals fahren. Wenn man dann etwas fitter wird, kann einfach eine Rennradbereifung angebracht werden und schon sitzt man auf einem Rennrad. Dazu vielleicht noch einen Aufsatz draufmachen – fertig. Und wer ein wenig investieren möchte: Eine elektronische Schaltung macht doppelt Spaß.“
Sonntagmorgen, lockere Fahrt: Welches Rad macht dir persönlich mehr Spaß? Und wie viele Räder besitzt du?
„Mehr Spaß macht mir tatsächlich das Rennrad. Weil es leichter rollt und ich etwas faul bin (lacht). Gravelbikes sind immer etwas anstrengender. Ich persönlich kann mit dem Rennrad meinen Radius viel mehr ausweiten und wir fahren am Wochenende fast immer in der Gruppe. Für eine kurze Runde nehme ich hingegen das Gravelbike. Neben diesen beiden Rädern habe ich noch ein Mountainbike.“
Nutzt du das Gravelbike im Training oder ist es eher ein Ausgleich für dich? Und was kannst du zu den Gewichtsunterschieden sagen?
„Ich nutze es ganz klar im Training. Einmal pro Woche sitze ich auf jeden Fall auf einem Gravel- oder Mountainbike. Das Gewicht stört mich aber etwas – schwere Räder machen mich verrückt. Aber das ist natürlich Geschmacksache.“
Die Ausgangsfrage, ob das Rennen zwischen einem Rennrad und einem Gravelbike mit einem Unentschieden beendet wird, kannst du dir also selbst am besten beantworten. Denn die Auswahl des passendes Bikes hat immer etwas damit zu tun, wo und wie du es einsetzen möchtest. Wir wünschen viel Spaß auf der Straße, im Gelände oder wo auch immer!