Der Nachbrenneffekt: Wunsch oder Wirklichkeit?
Wie dein Körper auch nach dem Sport weiter arbeitet
Auf der Couch sitzen und Kalorien verbrennen wie beim Sport – für manche ein Traum. Der Wunsch nach gesteigertem Energieverbrauch ohne Bewegung ist so alt wie unsere moderne Gesellschaft und hat viele dubiose „Trainings“-Geräte und Booster-Mittelchen hervorgebracht. Fakt ist: Um das Training kommen wir nicht herum, wenn wir fitter werden wollen. Aber wollen wir auf das Glücksgefühl nach dem Sport überhaupt verzichten? Eigentlich nicht. Die noch bessere Nachricht ist: Nach einem harten Training verbrennst du weiter Energie durch den Nachbrenneffekt. Genauer: Bis zu 30% der Kalorien, die du während deiner Einheit verbrannt hast. Einfach so. Auch auf der Couch. Denn von 100 auf 0 in einer Sekunde gibt’s im Körper nicht.
Der Nachbrenneffekt ist nichts anderes als eine gesteigerte Stoffwechselaktivität nach dem Sport. Dieser Boost entsteht, weil dein Körper während und nach dem Sport mehr Sauerstoff verbraucht. So verbrennst du weiterhin Kalorien, wenn du nach dem Training frisch geduscht auf dem Sofa sitzt.
Ein bildlicher Vergleich mit einer Dampflok macht das klarer: Wenn die Lok ihr Ziel erreicht und hält, endet nicht sofort der Kohle-Verbrauch. Denn der Kessel ist auf Betriebstemperatur, das Feuer brennt und kühlt erst langsam runter.
Die Wissenschaft nennt den Nachbrenneffekt „excess post-exercise oxygen consumption“ oder kurz: EPOC.
Während und nach deiner Trainingseinheit bildet dein Körper zwei Energielieferanten (nämlich Adenosintriphosphat und Kreatinphosphat). Beide sind für die Energieversorgung des Körpers zuständig. In der Lok-Metapher sind sie diejenigen, die die Kohle in den Ofen schaufeln – vorausgesetzt du hast genug Kohle(nhydrate) oder Fettreserven. Zusätzlich bilden sich Muskelproteine für den Muskelaufbau. All diese Prozesse kosten deinen Körper Energie: Wodurch er mehr Sauerstoff aufnimmt und Kalorien verbrennt.
Ja, es stimmt: Je intensiver das Training war, desto länger hält dieser Effekt an. Aber nicht in einer gleichmäßig steigenden Kurve, sondern in einer stetig abflachenden Kurve. Anders formuliert: Wenn du doppelt so intensiv trainierst, ist der Effekt nicht doppelt so stark, aber er hält länger an. Der Nachbrenneffekt nimmt also leider nicht im gleichen Verhältnis wie deine Trainingsintensität zu. Zwar steigert erhöhte Intensität den Effekt immer weiter, die Steigerung von Intensität und Nachbrenneffekt geht aber auch immer weiter auseinander.
Wie umfangreich der Nachbrenneffekt ist, hängt nicht mit deinem Fitnesszustand zusammen. Er ist bei intensiver körperlicher Anstrengung, wie bei Bokwa oder einem Barre-Workout, allerdings deutlich größer. An der University of South Australia wurden zu diesem Effekt ausführliche Tests und Studien durchgeführt. Dass bis zu 30% Prozent der im Training verbrannten Kalorien beim Nachbrennen verbraucht werden, war eines der Testergebnisse. Das heißt: Wenn du 13 Kilometer joggst und ungefähr 1000 Kilokalorien verbrennst, baut dein Körper später beim Entspannen auf der Couch nochmal bis zu 300 Kilokalorien ab. Gerade bei einer langen Strecke solltest du dann auf die Ernährung vor und nach dem Lauf achten, um genügend Energie zu haben.
Die gute Nachricht ist: Wenn du dich beim Sport richtig reinkniest, wirst du danach mit einem umso längeren Nachbrenneffekt belohnt.
Dabei ist weniger die pure Länge der Einheit wichtig, als die Intensität: Wenn du zum Beispiel ein anstrengendes, aber vergleichsweise kurzes Intervalltraining hinter dir hast, ist der Nachbrenneffekt besonders stark. Denn beim Intervalltraining kurbelst du durch die Intensität der Einheiten deinen Stoffwechsel richtig an. Hier ist der Nachbrenneffekt im Verhältnis zur Trainingszeit besonders hoch.
- 1. Die ersten 30 Sekunden nach der Action: Hier verbrauchst du bis zu 2 Liter Sauerstoff und füllst deine energiereichen Speicher wieder auf. Es kommt zu einer Synthese von ATP und Kreatinphosphat. Außerdem füllt dein Körper die O2-Speicher unter Verwendung von Hämoglobin und Myoglobin.
- 2. Bis 15 Minuten nach der Action: Deine Körpertemperatur ist noch immer erhöht, ebenso wie dein Adrenalinspiegel. Das wiederum erhöht einen Sauerstoffbedarf. Dein Herz und die sogenannte Atmungseigenmuskulatur arbeiten besonders hart. Auch das führt zu einem höheren Sauerstoffbedarf. Dein Stoffwechsel ist beschleunigt. Jetzt hilft zum Beispiel ein isotonisches Getränk.
- 3. 12-14 Stunden nach der Action: Noch immer ist dein Stoffwechsel leicht beschleunigt, insbesondere der Teil, der Energie für deinen Körper bereitstellt. Deine Muskeln sind unter erhöhter Anspannung. Zellen im ganzen Körper regenerieren sich.
Bis zu 38 Stunden nach dem Training ist eine erhöhte Sauerstoffaufnahme feststellbar.
Übrigens: Den Nachbrenneffekt erzeugt ihr sowohl durch aerobes, als auch durch anaerobes Training. Ein anaerobes Training führt aber zu einem stärkeren Nachbrenneffekt als aerobes Training, auch bei gleicher Energieverbrennung.
„Nach dem Training Kohlenhydrate zu essen ist keine gute Idee, wenn du den Effekt auskosten und abnehmen willst“ – Das ist nicht richtig. Der Fehler in diesem Gedankengang ist die Verwechslung vom Nachbrenneffekt und Fettstoffwechsel. Der Fettstoffwechsel ist dafür zuständig, dass der Körper länger eingelagerte Reserven, also Fett, wieder aufspaltet und somit zur Energiegewinnung nutzt.
Dass der Fettstoffwechsel durch kohlenhydrathaltiges Essen nach dem Training gebremst wird, ist absolut richtig. Denn dein Körper zieht seine Energie immer zuerst aus den vorhandenen Kohlenhydraten, bevor er auf die Fettreserven zurückgreift – weil das eben einfacher ist. Der Nachbrenneffekt hingegen ist die pure „Tätigkeit“, das reine „Weiterbrennen“ des Körpers nach dem Training. Dafür ist irrelevant, was du nach deiner Einheit tust. Nach starker körperlicher Beanspruchung ist es gesund, die Kohlenhydratspeicher wieder aufzufüllen. Diese Kohlenhydrate verwertet dein Körper dann aber auch direkt.
Grundsätzlich gilt:
Je anstrengender die Trainingseinheit für deinen Körper war, desto mehr Zeit solltest du ihm zur Erholung geben. Immerhin verbrennt er selbst in der Regenerationsphase fleißig Kalorien. Auch isotonische Getränke helfen bei der Regeneration.
Auch wenn Kohlenhydrate das Nachbrennen nicht blockieren, kannst du ihn mit gesunder Zurückhaltung unterstützen. Behalte die Menge an Kohlenhydraten, die du nach dem Training zu dir nimmst, im Auge. Speicher auffüllen ist wichtig, aber eine Pasta-Party nach jedem Training ist nicht optimal. Iss nach dem Training gerne so etwas wie Nudeln, aber langsam und bewusst. So wirst du satt und die Menge der Kohlenhydrate, die der Körper abbaut, bevor er deine Fettreserven angeht, ist nicht so groß. Damit reduzierst du Körperfett und baust Muskeln auf – vorausgesetzt, du isst nach einer intensiven Trainingseinheit auch viele Proteine, die dein Körper zum Muskelaufbau braucht. Zum Regenerieren greifen Athleten dafür gerne auf Fitness-Rezepte und isotonische Getränke zurück, vielleicht ist auch für dich etwas dabei.
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